F. Scott Fitzgerald zählt zu den großen amerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts – so gehört auch sein kritischer Gesellschaftsroman „Der große Gatsby“ zur Weltlitertaur. In den letzten Wochen haben sich unsere Redakteure ins Leben des mysteriösen Junggesellen geschlichen und präsentieren euch hier ihre Eindrücke.
Tatjana empfand eher weniger Symphatie für die Charaktere
Der große Gatsby in F. Scott Fitzgeralds gleichnamigen Roman ist ein wohlhabender Junggeselle, berühmt durch seine legendären Partys und berüchtigt durch seine geheimnisumwitterte Vergangenheit, der trotz allem Reichtum nur ein Ziel hat: die Liebe seines Lebens wieder zurückgewinnen.
Fitzgerald schafft es die überwiegende Oberflächlichkeit und den Materialismus immer wieder durch nichtige Dialoge und unnötige Habseligkeiten der Charaktere zu präsentieren, so dass eine Abneigung des Lesers gegen derart Personen fast unvermeidbar ist. Stilistisch bewegte sich der Autor auf hohem Niveau, überzeugt mit zahlreichen harmonischen Metaphern und Vergleichen. Für Verwirrung sorgen allerdings manchmal Fitzgeralds Satzgefüge und Farbspiel, das dem Leser zum Beispiel blaues Laub vor Augen führt. Gatsby ist zwar nicht das beste Buch, dass in meinem Bücherregal zu finden ist, jedoch eines der Werke, das ich am schnellsten gelesen hatte. Die stets im Raum stehende Frage wer denn nun Gatsby ist und ob er seine große Liebe zurückgewinnen kann, binden den Lesern fortlaufend an die Zeilen, so dass ich das Geheimnis in zwei Tagen gelüftet hatte. Meine erste Empfehlung wäre Gatsby trotz allem nicht. Lediglich Fitzgeralds Schreibstil bringt dem gesellschaftskritischen Buch knapp drei Sterne ein.
They were careless people, Tom and Daisy — they smashed up things and creatures and then retreated back into their money or their vast carelessness or whatever it was that kept them together, and let other people clean up the mess they had made.
Jana, der es etwas an Spannung fehlte, war von Fitzgeralds Stil begeistert
Als feststand, dass „Der große Gatsby“ das nächste Werk unseres Buchclubs sein würde, ging ich nicht in die Buchhandlung, um mir den Klassiker zu kaufen, sondern besorgte ihn mir über BookCrossing. Dort gibt es viele liebe Menschen, die ihre Bücher weiterreisen lassen, damit sie auch von anderen gelesen werden können und nicht im eigenen Bücherregal versauern. So kam „Der große Gatsby“ also aus Bayern zu mir nach Berlin, wo ich mich direkt ans Lesen machte. An dieser Stelle noch einmal ein herzliches Dankeschön an HH58, der mir das Buch zukommen lassen hat.
Leider konnte mich die Geschichte selbst viel weniger beeindrucken als der Weg, auf den sie zu mir kam. Fitzgeralds Talent ist nicht zu bestreiten, und doch konnte der Roman mich irgendwie nicht richtig mitreißen. Zwar stimme ich unserer Buchbesprecherin Steffi in all den Punkten, die sie am „Großen Gatsby“ lobt, zu, und doch ist es kein Werk, das mich vor Begeisterung laut aufschreien lässt. Höhen und Tiefen blieben für mich vollkommen aus. Lediglich die sprachliche Gestaltung ließ mich hie und da freudig aufseufzen. Man muss es mal gelesen haben – mehr aber auch nicht.
Trotz der vielen Kritik am „Großen Gatsby“ habe ich das Buch bereits wieder freigelassen, damit sich andere interessierte Leser selbst ein Urteil bilden können. Seinen weiteren Weg könnt ihr hier verfolgen.
Patryk lobt die tolle Skizzierung der Vergangenheit
Die mysteriöse Persona des Gatsby hat mich von Anfang an in ihren Bann gezogen. Die Frage, was sich hinter dem undurchschaubaren Millionär verbirgt, war für mich der größte Anreiz zum Weiterlesen. Woher kommt er, hat er wirklich keine Familie mehr? Ist er ein Betrüger oder sogar Mörder? Als im Laufe des Romans Bruchstücke seiner Vergangenheit zum Vorschein kamen, wurde mehr und mehr deutlich, dass Gatsby ein hoffnungsloser Romantiker ist. Er ist in seinem Handeln, wie viele andere Figuren im Roman auch, geprägt von einer emphatischen Gefühlsgeladenheit. Dieses Pathos schießt teilweise durchaus über sein Ziel hinaus und verkommt in Theatralik. Jedoch darf man nicht vergessen, dass gerade das ein Charakteristikum der Goldenen Zwanziger ist, die Fitzgerald hier für mich genial skizziert. Interessiert man sich für die historischen Umstände dieser Zeit und kennt man darüber hinaus biografische Fragmente von Zelda und F. Scott Fitzgerald, verbirgt sich hinter dem Werk ein Spiegel in die Vergangenheit, der beim Blick fürs Detail mehr bietet als er auf den ersten Schein verheißt.
Trotz der unvorhersehbaren Handlungswendungen, der sprachlichen Leichtigkeit wie dem wichtigen gesellschaftskritischen Kontext, bleiben einige Stellen leider wie Szenen einer Seifenoper im Gedächtnis. Ein wenig zu viel Drama führt mich deshalb zu einem Punktabzug: vier von fünf Sternen.
Nicos Reise in die Zwanziger Jahre konnte ihn nicht sonderlich mitreißen
„The Great Gatsby“ hat wirklich etwas Großes für sich. Nicht umsonst lesen es Generation um Generationen. Ich denke mal, es ist sowohl ein historisches Werk über die Goldenen Zwanziger, speziell im amerikanischen Sinne, als auch ein Verwirr-Spiel von persönlichen, moralischen Schwächen. Also von der Thematik her ein wichtiges Lehrstück kann man sagen.
Im selben Jahr haben wir „Der Fänger im Roggen“ in der Schule gelesen; den konnte ich genießen, Gatsby musste ich mir leider eher reinzwingen. Vielleicht lag das am Alter, auf jeden Fall waren mir die Personen zu unsympathisch, was zum größten Teil wohl auch an den historischen Gepflogenheiten liegt, die mir persönlich nicht gefallen. Merkwürdig ist, dass ich die Persona des Gatsby eigentlich sehr interessant finde: konfliktreich und wohlhabend, eine schöne Kombination für das tragische Ende. Irgendwie konnte mich das Flair der Zwanziger aber nicht mitreißen.
Ein weiteres Manko ist, glaube ich, die langgezogene Story. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass mehrmaliges Lesen hier hilfreich ist, um die fein verstreuten Hinweise zu fassen und die Verknüpfungen zu verstehen. Was hilft das aber, wenn das erstmalige Lesen schon keinen Spaß macht. Ich möchte gar nicht Fitzgeralds Können in Frage stellen, das Werk im Gesamten ist gut durchdacht, aber meinen persönlichen Geschmack konnte es nicht zufriedenstellend anregen.
Everyone suspects himself of at least one of the cardinal virtues, and this is mine: I am one of the few honest people that I have ever known.
Svea bewundert die besondere Atmosphäre des Romans
Fitzgeralds „Der große Gatsby“ wird noch heute als Meisterwerk der amerikanischen Literatur gefeiert und das meiner Meinung nach mit triftigem Grund. Zwar plätschert die Handlung zunächst etwas langatmig dahin: Freunde werden besucht, Unterhaltungen geführt, Beziehungsprobleme erfasst und dekadente Nachbarn beobachtet. Im Laufe der Lektüre allerdings entfaltet sich eine hochgradig rührende Geschichte über Liebe, Ehrgeiz und Erfolg – mehr oder minder. Die anfänglichen Schilderungen entpuppen sich schließlich als durchaus hilfreich, um die doch sehr extravagante Gesellschaft im New York der 1920 beurteilen zu können. Die rauschenden Partys aber auch die Oberflächlichkeit der Beziehungen werden erst durch die einführenden Worte fassbar.
Trotzdem war die zweite Hälfte des Romans für mich eindeutig die stärkere. Hier überschlagen sich die Ereignisse und Fitzgeralds Gesellschaftsstudie nimmt gar Formen eines Kriminalromans an: Höfliche Umgangsformen weichen offen zur Schau gestellter Rivalität; Mehrere Figuren fallen dieser zum Opfer oder werden zu Verrätern. Gleichzeitig offenbart sich, dass einige der Romanfiguren trotz des von Gedankenlosigkeit geprägten Umfelds zu Größe und vor allem Nächstenliebe fähig sind, was ihre leichtlebige Umgebung jedoch vollständig missbraucht. Zurück bleibt zwar ein Gefühl der Schwermut und des Unverständnisses. Viel tiefgehender allerdings war für mich der Eindruck, selten ein so kurzes und zugleich atmosphärisches Werk in den Händen gehalten zu haben.
Anjas Skepsis wich bald dem Lesevergnügen
Mit den meisten Büchern in diesem Jahr habe ich mich ziemlich gequält. Unabhängig von der Länge des Buches, habe ich sie wochenlang mit mir rumgeschleppt. Hier mal ein paar Seiten gelesen, da mal weiter geblättert, aber gepackt hat hat mich keines so richtig, so dass ich mich wochenlang mit ihnen beschäftigen musste und an einigen schlichtweg gescheitert bin. Ganz anders der Gatsby. Ich muss gestehen, ich hatte ich großen Respekt vor diesem Klassiker der Weltliteratur und fürchtete einen weiteren sich endlos dahinziehenden Lesemarathon. Überrascht und hoch erfreut stellte ich jedoch bald fest, dass diese Sorge unbegründet war. Trotz verschachtelter Sätze und detailverliebter Landschafts- und Personenbeschreibungen, flog ich nur so über die Seiten. Die Geschichte war spannend, auch wenn man schnell ahnte, worauf die Handlung hinaus laufen würde. Die Charaktere fand ich sehr interessant, wenngleich nicht unbedingt sympathisch.
Alles in allem ein großes Lesevergnügen und ich hätte ihm auch fünf Sterne gegeben, wenn, ja, wenn nicht irgend etwas gefehlt hätte. Ich weiß gar nicht mal so genau was. Ich habe nur eine vage Vermutung: Das Schicksal Gatsbys ließ mich trotz all seiner Tragik dann doch erstaunlich kalt. Vielleicht liegt es daran, dass Fitzgerald so damit beschäftigt war mit dem Roman ein perfektes Portrait seiner Zeit abzuliefern (was ihm vortrefflich gelungen ist, soweit ich das beurteilen kann), dass seine Protagonisten dabei letzlich nur überzeichnete Symbolfiguren sind, Abziehbilder der Gesellschaft – schwer greifbar und irgendwie nicht echt. Doch abgesehen davon ist „Der große Gatsby” ein wunderbares Buch, welches mich neugierig auf weitere Werke Fitzgeralds gemacht hat.
Fazit
Alles in allem kommt unser guter Gatsby gar nicht so schlecht weg: Obwohl manchen das gewisse Etwas für die vollen fünf Sterne fehlte, begeisterte die überzeugende Darstellung der Zwanziger Jahre und der sprachlich anspruchsvolle Stil. Fitzgeralds Werk ist zwar nicht DER Redaktionsfavorit, aber unserer Meinung nach absolut lesenswert.